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Lacoste. Ein Dorf im Ausverkauf

  • alisalomon
  • 27. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit
Das Must-have in der Instagram-Galerie
Das Must-have in der Instagram-Galerie

Auch wenn ich eigentlich nur das echte Leben in der Provence zeigen möchte, besuche ich zurzeit alle bei Touristen bekannten Dörfer im Luberon und zeige sie auch auf Instagram. Ich will einfach wissen, wovon ich spreche, und jedes dieser Dörfer einmal selbst gesehen haben. Tatsächlich sind die meisten von ihnen wunderschön, haben aber wenig mit dem authentischen Leben hier zu tun – sie wirken eher wie traumhafte Kulissen für den perfekten Südfrankreich-Urlaub. Auf eines dieser Dörfer, das ich kürzlich besucht habe, trifft diese Beschreibung besonders zu: LACOSTE.


Ich habe den Ort an einem sonnigen Tag besucht und war fasziniert von seiner Schönheit: Ein kleines Dorf am Hang, mit malerischen Gassen und den typischen Steinhäusern. Ganz oben thront ein altes Schloss, in dem einst der berühmte Marquis de Sade lebte. Auf einer traumhaften Terrasse mit atemberaubendem Ausblick habe ich in einem kleinen Restaurant zu Mittag gegessen – zauberhaft.


Nur beschlich mich nach und nach ein komisches Gefühl. Klar sind die meisten dieser Dörfer wie Gordes, Ménerbes und Lourmarin sehr gut gepflegt, aber dieses hier ist wirklich „next Level“: Alles perfekt erhalten und restauriert. Und eine Sauberkeit, wie sie laut Klischee genau den Geschmack ordnungsliebender Deutscher treffen muss. Außerdem wirkte Lacoste besonders ausgestorben. Kein Anwohner, kaum Boutiquen, keinerlei authentisches Lebenszeichen. Nur einige wenige Kunstateliers und Galerien waren hier und da zu finden. Auch wenn das bei anderen Dörfern ähnlich sein mag – hier war es extrem.


Wieder zuhause fand ich nach kurzer Recherche die Antwort auf dieses Rätsel – oder besser gesagt: einen Namen. Pierre Cardin. Aber was hat der weltberühmte, mittlerweile verstorbene Modeschöpfer mit diesem kleinen Dorf im Luberon zu tun? Ganz einfach: Er hat sich hier den Traum eines alten, reichen und kapriziösen Mannes erfüllt – und kommt dabei nicht gerade sympathisch rüber.


Perfekte Dorfidylle
Perfekte Dorfidylle

Als er 2001 zunächst das Schloss kaufte, waren die rund 400 Anwohner – eine Mischung aus alteingesessenen Bewohnern sowie seit der Mitte des letzten Jahrhunderts zugezogenen Künstlern und Aussteigern – noch froh, dass sich endlich jemand der verfallenen Gemäuer annahm. Doch nach und nach zeigte sich, dass Cardin größere Pläne hatte: Er kaufte immer mehr Häuser, bis er einen großen Teil des Dorfes besaß. Da Geld für ihn keine Rolle spielte, zahlte er den Bewohnern teils das Dreifache des Marktwerts und setzte sie damit unter Druck. Auch diejenigen, die zunächst nicht verkaufen wollten, gaben irgendwann nach. Gewiss, er ließ die Häuser stilvoll restaurieren – doch sein Versprechen, aus Lacoste ein kulturelles Zentrum zu machen, hielt er nicht. Die Häuser blieben ausnahmslos leer. Cardin weigerte sich beharrlich, Menschen einziehen zu lassen oder anderen Nutzungen zuzustimmen. Und so war auch das Dorfleben dem Untergang geweiht.


Zum Glück gibt es inzwischen auch Lichtblicke für die rund 50 Häuser, die einst Cardin gekauft hatte. Seit 1970 ist in Lacoste eine amerikanische Kunstschule ansässig, die in den vergangenen Jahren einen Teil dieser Häuser (etwa 20 Stück) aus Cardins Nachlass erwerben konnte. Heute bringt sie dort Studenten unter und fördert verschiedene Kunstprojekte.

Perfekt restaurierte Gassen
Perfekt restaurierte Gassen

Was für eine Geschichte! Sie wird im Übrigen in dem Dokumentarfilm von Cyril Montana erzählt („Cyril contre Goliath“), der seine Kindheit in Lacoste verbracht hat und sich später – mit eher mäßigem Erfolg – gegen Pierre Cardins Einfluss engagierte. In dem Film werden Interviews mit dem sturen alten Modeschöpfer gezeigt, die mich ehrlich gesagt sehr verstört haben. Mit unglaublicher Überheblichkeit spricht Cardin über die Dorfbewohner, die er als ungebildet betrachtet. Er sieht sich selbst dabei als eine Art Wohltäter, der Kultur und Bildung in das Dorf bringt. Dabei übersieht er völlig, dass Lacoste schon seit Jahrzehnten ein Anziehungspunkt für Künstler und Intellektuelle war. Namen wie Max Ernst, Man Ray, Henri Cartier-Bresson und viele andere sind untrennbar mit diesem Ort verbunden.


Ich bin gespannt, ob und wie sich das Dorf in Zukunft noch weiterentwickeln wird. Auf jeden Fall hat mich diese Geschichte nachdenklich gemacht: Sie zeigt, dass man in unserer heutigen Welt mit Geld tatsächlich alles kaufen kann, dass Macht und Einfluss nicht immer mit Vernunft einhergehen und dass man somit den Launen Einzelner Reicher ausgeliefert sein kann.

Die Terrasse des "Café de France"
Die Terrasse des "Café de France"




 
 
 

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